Wo hört der Mensch auf, wo fängt die Maschine an? Mit der digitalen Welt als Verlängerung unseres Selbst sind diese Grenzen längst verwischt. Was ist überhaupt noch menschlich, wenn sich unser Bewusstsein im kollektiven Pool der globalen Erinnerung aufgelöst hat wie Tränen im Regen? Darauf hat auch ein Kolja Trelle keine Antworten. Das hindert ihn nicht, mit seinem legendären Electro-Projekt SOMAN rigoros in diesen Grenzlanden zu forschen. Peitschend hart ist sein Trademark-Sound, dann wieder voller Sehnsucht, aufputschend und niederschmetternd zugleich: Musik wie der elektronische Atem dieser Welt.
Sein neues Album heißt „Global“, und das nicht ohne Grund: Es ist sein ganz persönliches Manifest gegen Engstirnigkeit. Mit elektronischen Grenzgängen pulverisiert SOMAN nämlich nicht nur die eigentlich eh längst obsoleten Barrieren zwischen Techno, Industrial, Electro und Noise; das Projekt liefert einen wertvollen Beitrag zum Verständnis des komplexen Verhältnisses zwischen Mensch und Maschine, zwischen Mensch und Menschheit, zwischen Mensch und Natur. Und wenn „Global“ zur selben Zeit gnadenlos durchs Mark direkt in die Beine gehende Hymnen aus purer elektronischer Euphorie abfeuert als wäre der nächste große Club-Banger keine Frage von Glück sondern von Geburtsrecht, dann merkt man sehr schnell: Nach der quälend langen Stille zwischen „Noistyle“ (2010) und „Nox“ (2019) hat Trelle Blut geleckt und Beats gepachtet. Anders ist nicht zu erklären, dass mit „Global“ jetzt schon der nächste Schlag ausgeführt wird.
Nach der schieren Befriedigung elektronischer Gelüste, wie Trelle sein letztes Album umschrieb, liefern SOMAN mit dem ebenso emotionalen wie elementaren Brecher „Global“ einen von gewaltigen Beats, monumentalen Spannungsbögen und irisierenden Melodien getragenen Befreiungsschlag. Ein Album als Manifest des Zusammenhalts, ein technoid wummerndes „per aspera ad astra“. Durch die Mühsal zu den Sternen. Dieser Schritt hat viele Grenzen sinnlos gemacht. In unseren Köpfen, aber auch in der schillernd-chimärenhaften Musik auf „Global“. Und was sieht man, wenn man jenseits dieser Grenzen schaut? Neue Horizonte. Soweit das Auge reicht! „Global steht dafür, sich dem Fremden zu öffnen, selbst wenn es nicht immer einfach ist“, sagt Trelle selbst dazu.
Musikalisch bedeutet das: Hier wird nicht nur geballert um des Ballerns Willen. „Global“ ist ein Arrangement, ein kohärentes, in sich geschlossenes Werk mit schwindelerregenden Höhen und pechschwarzen Tiefen. Hart, wenn es hart sein muss. Weich, wenn es weich sein soll. Oder auch: Von futuristisch-progressiven Techno-Dystopien über schwärmerische Trance-Kosmen und klassisches Electro-Handwerk zu nostalgisch-wärmenden Wave-Anklängen und eiserner EBM-Knute. Und zurück. Da hatte jemand richtig Lust, sich auszutoben. Und das Gute ist: Jetzt sind wir damit an der Reihe.
